Mittwoch, 10. November 2010

Die Wirtschaftsweisen melden sich zum Aufschwung

Da les ich die Überschrift "Früchte der Reformen vorheriger Regierungen" und freu mich schon, dass die Presse es endlich gerafft hat, dass man nicht alles der aktuellen Regierung zuschreiben darf, aber nix war. Nur das:
Der Koalition werfen die Experten vor, "jetzt die Früchte der Reformpolitik der vorherigen Regierungen" zu ernten, aber selbst zu wenig zu tun.
Bla bla, dann freuen sich die Weisen über ihre Zahl von 3,7 % Wachstum (erstens sind die Zahlen so verlässlich wie meine Kristallkugel bei der Lottoziehung und zweitens gab es in den letzten 20 Jahren nur 3 Jahre in denen die Wirtschaft wirklich geschrumpft ist - die Kürzungen bei den Arbeitnehmern waren hingegen immer zu erwarten). Aber gut, die Wirtschaft ist ja komplex und die Wirtschaftsweisen haben da vielleicht doch einen größeren Durchblick. Und aufgrund dessen fordern sie mal schnell unverschämt 16,5 % Mehrwertsteuer auf alles:
"Dies wäre dann ein echter Befreiungsschlag im Dickicht der Umsatzbesteuerung." Zwar würden die einkommensschwachen Haushalte bei einer derartigen Reform etwas stärker belastet. Die Zusatzbelastungen fielen aber so gering aus, "dass sie angesichts der Vorteile im Hinblick auf die Vereinfachung und die Effizienz des Steuersystems auch ohne kompensierende Maßnahmen hingenommen werden können".
Hey, wir verteilen etwas Geld von unten nach oben. Stört euch doch nicht, was? Sehr schön. Ich hab das Mal schnell für einen ALGII-Empfänger durchgerechnet (nach altem Satz 359 Euro). Der erhält 204,37 Euro für Waren mit 19 % MwSt. und 154,37 Euro für Waren mit 7 % MwSt. (Lebensmittel, Übernachtungen, Verkehr). Nach Veränderung der Steuer zahlt er für den ersten Posten 200,33 Euro und für den zweiten 168,08 Euro. Macht dann 9,41 Euro mehr zu zahlen.

Im Klartext: die wollen, dass die 5 Euro Erhöhung, die es jetzt gibt (und die nicht die Tabaksteuererhöhung berücksichtigt), aufgefressen und zu 5 Euro Kürzung werden. Das sind mehr als zwei Tage Essen! Aber können wir mal so hinnehmen. Das trifft übrigens alle, die mehr als 28% ihres Einkommens für Produkte mit 7 % MwSt. ausgeben.
Die Einführung des niedrigen Mehrwertsteuersatzes für die Hoteliers bezeichneten die Sachverständigen als "Sündenfall".
Hmm, vielleicht sind sie doch weise.
Um die Basis für einen dauerhaften Aufschwung zu legen, fordern die Weisen eine Bildungsoffensive. Das allgemeine Bildungsniveau in Deutschland, "welches im internationalen Vergleich nur mittelmäßig abschneidet", müsse gehoben werden. Dazu müsse Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten hergestellt werden, die heute bei gleicher Intelligenz viel seltener einen höheren Abschluss erreichen als Söhne und Töchter von Bildungsbürgern.
Oha, gar kein Beißreflex gegen die Unterschicht?
"Bildungsinvestitionen sollten möglichst früh im Bildungszyklus einsetzen, beispielsweise in Form eines verpflichtenden Vorschuljahres, flächendeckender Ganztagsschulen und eines flexibleren Übergangs zwischen einzelnen Bildungsabschnitten", fordern die Experten.
Jetzt bin ich baff. Wie kommen die denn auf sowas? Die sind ja wirklich weise!
Der Sachverständigenrat schlägt stattdessen vor, gesetzliche und private Krankenkassen über eine Bürgerpauschale zusammenzuführen.
Ach ne, doch nicht. Hab mich geirrt. Wobei die Idee der Zusammenführung (ohne Pauschale) vermutlich gar nicht so schlecht ist. Wenn man noch eine Kontrolle der Pharmaindustrie und feste Gehälter für Ärzte einführt.