Sonntag, 14. November 2010

Ausschreibung und die billigste Variante

Streit mit Städten: Wie die EU-Kommission Fair-Trade-Produkte verhindert - SPIEGEL ONLINE

Da wollen Städte Fair-Trade-Kaffee benutzen um der Kinderarbeit keinen Vorschub zu leisten. Was passiert? Diejenigen Firmen, die die Ausschreibungskriterien nicht halten können, weil sie lieber billig statt nachhaltig anbieten, klagen einfach bei der EU. Und diese rüffelt die ausschreibenden Städte.

Es ist zwar schön, dass Städte lieber Fair-Trade-Kaffee kaufen möchten, doch die Diskussion darum bringt nur wieder die eigentliche Krise ans Tageslicht. Es ist verdammt schwierig Ausschreibung gerecht zu gestalten. Die öffentliche Hand ist immer wieder angewiesen, die billigste Variante zu nehmen. Um dem Dilemma zu entfliehen (sofern die Kommune, Land, Bund) noch genügend Geld hat, werden die Ausschreibungen so festgeschrieben, dass sie nur die bevorzugten Unternehmen erfüllen können. Auf der anderen Seite steht hierbei, dass Aufträge aus niederen Motiven bestimmten Firmen "völlig legal" zugeschachert werden können.

Das Problem geht tiefer. Kaffee ist hier wahrlich nur die Spitze des Eisberges. Interessanter wird es wenn es um Dienstleistungen oder Bauaufträge geht. Darf man Unternehmen unterstützen, die untertariflich bezahlen? Nur weil sie günstiger sind? Darf man eine "Ramschfirma" beschäftigen anstelle eines Unternehmens mit langer Tradition, wenn es bei ersterem sehr unwahrscheinlich ist, dass diese in zwei Jahren überhaupt noch existieren und Garantieleistungen übernehmen können? Darf man Unternehmen aus Frankreich anheuern, die zwar billiger ist, aber die Situation auf dem kommunalen Arbeitsmarkt noch weiter verschärft?

Das Problem ist mit zwei Stunden Nachdenken sicher nicht zu lösen. Hier müsste man mal einen Leitfaden zur Nachhaltigkeit erarbeiten. Damit müsste aber auch klar sein, welchen Weg man gehen möchte. Selbst beim aktuellen Weg ist die Richtung nicht klar. Denn nicht immer ist der billigste Anbieter auch der günstigste. Ein Rückfluss von Gewerbe- und Einkommensteuern durch einen etwas teureren Auftrag kann einer Stadt mehr bringen, als der billigste Anbieter, der seine Gelder im Ausland lässt.

Eine Lösung (meiner Meinung nach) zu diesem Problem liegt darin, dass der Gesetzgeber (Bund oder EU) die Normen für alle in einem entsprechenden Standard niederschreibt. Eine gespalte Zunge können wir uns eigentlich nicht leisten. Innerhalb der EU ist Kinderarbeit geächtet, außerhalb der EU soll es gut sein? Kein Wunder, dass es immer wieder Parlamente gibt, die einen Alleingang wagen. Wir sollten uns schon zu unseren Werten bekennen. Sicher sind wir uns bewusst, dass einiges von unserem Lebensstandard von dem schlechten Lebensstandard im Ausland abhängt. Was allerdings nicht bekannt ist (und ein hinreichend komplexes Thema ist), ist die Frage, wie die Auswirkungen sind. So mögen wir vielleicht für unsere Waren weniger ausgeben, müssen dafür im Gegenzug für unsere eigenen Armen immer mehr ausgeben um sie zu unterstützen.

Ob es schon Wissenschaftler gibt, die sich mit diesem Problem auseinander gesetzt haben?